Governance im Projektmanagement (Governance of Project Management, GoPM) ist der verbindliche Leitungs- und Kontrollrahmen einer Organisation für Projekte, Programme und Portfolios. Er umfasst Strukturen, Rollen und Verantwortungen, Entscheidungs- und Eskalationswege, sowie Regeln, Prozesse und Kontrollen, damit Vorhaben zielkonform, vergleichbar und nachvollziehbar gesteuert werden – klar abgegrenzt von der operativen Projektleitung. Wobei für die Kontrolle häufig der englische Begriff Compliance verwendet wird.
Der Begriff Governance leitet sich aus der Corporate Governance ab, die sich ursprünglich mit verantwortungsvoller Unternehmensführung und -aufsicht beschäftigt. Übertragen auf das Projektmanagement beschreibt Governance die Prinzipien, Strukturen und Mechanismen, mit denen Organisationen sicherstellen, dass Projekte im Einklang mit den strategischen Zielen stehen und verantwortungsvoll umgesetzt werden. Weitere Governance-Bereiche sind IT Governance, Data Governance oder ESG Governance. Alle diese Bereiche stehen in Wechselwirkung zueinander sollten konsisten geahlten sein, um widerspruchsfreie Entscheidungsstrukturen zu schaffen.
Der englische Begriff Governance kann mit "Leitung" oder "Führung" übersetzt werden, wird aber auch im deutschsprachigen Raum verwendet. Auch der Begriff Projektgovernance (Project Governance) ist in der Praxis geläufig. Dabei wird das Regelwerk jedoch nicht für das unternehmensweite Projektmanagement festgelegt, sondern, wie der Begriff schon sagt, für ein Projekt.
Für die unternehmensweite Governance im Projektmanagement gibt es die englischen Begriffe Governance of Project Management (GoPM) oder Enterprise Project Governance (EPG). Beide betonen den allgemein verbindlichen Charakter des Regelwerks für alle Projekte, Programme und Portfolios im Unternehmen und die Notwendigkeit der Ausrichtung des Regelwerks an der Unternehmensstrategie und den Unternehmenszielen.
Die unterschiedlichen Projektmanagement-Frameworks wie PMBOK Guide, PRINCE2, PMI, APM Body of Knowledge oder ISO 21505 definieren Governance ähnlich. Sie alle grenzen den Begriff klar von Projektmanagement, also dem operativen Durchführen von Projekten ab und siedeln die Verantwortung für gute Governance in höheren Entscheidungsebenen, wie dem Vorstand, der Geschäftsleitung, einem PMO, Leitungsgremium, Lenkungsausschuss (Steering Committee) oder zumindest P(S)O an.
Im Kern geht es bei Governance für Projektmanagement darum, zentrale Vorgaben zu folgenden Punkten zu machen:
Eine gute Beschreibung von Governance im Projektmanagement liefern Paul. C Dinsmore und Luiz Rocha, die den Begriff Enterprise Project Governance (EPG) in ihrem Buch Enterprise Project Governance. A Guide to the Successful Management of Projects Across the Organization geprägt haben:
"Project governance initiated under the umbrella of corporate governance. It [EPG] is about ensuring that projects succeed by establishing a well-defined approach that all parties understand and agree on, that the approach is followed throughout the life cycle of portfolios, programs, and projects, and that progress is measured and actions are proactively taken to confirm that everything stays on track and that the agreed-on benefits, products, or services are delivered1."
Einfach gesagt gilt folgende Begriffshierarchie:
Das Ziel von Governance ist es einerseits, sicher zu stellen, dass durch die Vorgaben bessere Projektergebnisse erzielt und dadurch die Unternehmensziele erreicht werden. Andererseits stärkt Governance das Bewusstsein für Projektmanagement auf höheren Entscheidungsebenen und schafft Transparenz über Zuständigkeiten, Risiken und Entscheidungsprozesse.
Ein wesentlicher Nutzen liegt in der Vergleichbarkeit und Nachvollziehbarkeit von Projekten sowie in der frühzeitigen Identifikation von Abweichungen. Governance erhöht dadurch die Qualität von Entscheidungen, reduziert Risiken und ermöglicht eine objektive Bewertung des Projektportfolios.
Damit ein Regelwerk nicht zu bürokratisch wird, empfiehlt sich ein Minimum Viable Governance (MVG) – ein reduzierter, aber wirksamer Governance-Rahmen mit klaren Verantwortlichkeiten und minimalem administrativen Aufwand
Im Allgemeinen unterscheidet man zwischen verantwortlichen Personen und operativ zuständigen Personen. Verantwortlich für die Rahmenbedingungen, Zielvorgaben, Messung der Wirksamkeit und Steuerung der Risiken, sowie für die Kontrolle (Compliance) sind der Vorstand, die Geschäftsführung bzw. der Aufsichtsrat des Unternehmens.
Die operative Zuständigkeit fällt dem PMO zu, das über die Kernaufgaben des Projektmanagement Office für das Ausarbeiten, Festlegen und kontinuierliche Anpassen der Vorgaben für das Projektmanagement sorgt. In welcher Ausprägung ein PMO im Unternehmen vorhanden ist hängt einerseits vom Projektmanagement-Reifegrad ab. Andererseits ist es häufig auch Branchen-Abhängig. So sind Branchen wie Medizintechnik, Pharma oder Lebensmittelindustrie von umfangreichen Regularien betroffen, die sich direkt auf Prozesse und Methoden im Projektmanagement auswirken.
RACI ist das Acronym für die englischen Begriffe Responsible (dt.: Ausführungsverantwortlich), Accountable (dt.: Rechenschaftspflichtig), Consulted (dt.: Konsultiert) und Informed (dt.: Informiert).
Wenn es um die Enterprise Project Governance geht, so kann folgende Rollenverteilung zutreffen:
Responsible | Accountable | Consulted | Informed | |
Aufsichtsrat | X | |||
Vorstand | X | |||
Geschäftsführung | X | |||
PMO | X | |||
C-Level | X | |||
Rechtsabteilung | X | |||
Projektleitung/Product Owner/Fachbereich | X | |||
Projekt-Teams | X | |||
Stakeholder | X |
Die Rollenverteilung beim Thema Governance im Projektmanagement macht deutlich, warum die Zuständigkeit dafür nicht beim PMO endet. Denn durch den Anspruch, die Governance Prinzipien mit der Unternehmensstrategie und den Unternehmenszielen in Einklang zu bringen, wird die Teilnahme der Geschäftsführung, des Vorstands und des Aufsichtsrates eingefordert.
Für die Umsetzung von Governance in der Praxis werden Richtlinie, Prozesse und unterstützende Systeme implementiert. Dafür gibt es eine Reihe von Instrumenten:
Ein wirksames Governance-System verbindet formale Vorgaben mit einer gelebten Kultur von Transparenz und Verantwortung.
Auch in agilen Kontexten bleibt Governance relevant. Agile Governance setzt genauso Leitplanken, allerdings ohne die Selbstorganisation der Teams einzuschränken. Dabei steht nicht Kontrolle, sondern Orientierung im Vordergrund. Prinzipien wie „Governance by Principles“ oder „Lean Governance“ ersetzen starre Regeln durch gemeinsame Werte und klare Verantwortlichkeiten.
In hybriden Organisationen kombinieren Unternehmen klassische Governance-Strukturen mit agilen Steuerungsmodellen. Entscheidungswege, Risikomanagement und Compliance bleiben geregelt, während operative Freiräume bewusst geschaffen werden, um Flexibilität und Innovationsfähigkeit zu fördern.
Zusammenfassend sorgt Governance im Projektmanagement dafür, dass Projekte wirksam, verantwortungsvoll und strategisch ausgerichtet durchgeführt werden. Sie schafft Verbindlichkeit und Transparenz, ohne die notwendige Flexibilität in der Umsetzung zu verlieren. Gute Governance ist kein Selbstzweck, sondern ein wesentlicher Erfolgsfaktor für nachhaltiges Projekt- und Unternehmensmanagement.
1: Dinsmore, Paul C. and Rocha, Luiz: Enterprise Project Governance. A Guide to the Successful Management of Projects Across the Organization, USA, 2012, S. 255