Die Stacey-Matrix: Agilität oder Wasserfall im Projekt?

Timo Gerhardt, Freitag, 15. September 2023 | Lesedauer: 10 min.

Mit Hilfe der Stacey-Matrix finden Sie einfach heraus, welche Projektmanagement-Methode in Ihrem Projekt angebracht ist. Hierfür wird das Projekt anhand von zwei Dimensionen kategorisiert. 

Worin unterscheiden sich agile und klassische Projektmanagement-Methoden?

Projekte definieren sich darüber, dass sie stets einzigartig und von komplexer Natur sind. Folglich gibt es bei der Handhabung von Projekten keinen One-Size-Fits-All-Ansatz. Es existiert eine Vielzahl gängiger und auch weniger etablierter Methoden. Im Grundsatz lassen sich jedoch Projektmanagement-Methoden grob in zwei Gruppen unterteilen: Es gibt sowohl agile als auch klassische Ansätze.

Zwar ist Agilität in der heutigen Zeit in aller Munde und weist auch viele Vorteile auf, aber auch klassische Ansätze haben definitiv ihre Daseinsberechtigung. Welche Art der Methode in welchem Fall angemessen ist, ist stark situationsabhängig.

Agile Ansätze wie Scrum, die Critical-Path-Methode oder auch Kanban zeichnen sich durch einen grundlegenden Flexibilitätsgedanken aus. Zwei essentielle Aspekte sorgen dafür, dass eine beispiellose Anpassungsfähigkeit gewährleistet werden kann. Einerseits wird durch ein streng inkrementelles Vorgehen sichergestellt, dass während des Entwicklungsprozesses separate und voll funktionsfähige Einheiten fertiggestellt werden, die schließlich am Ende zu einem vollständigen Endprodukt aggregiert werden. Andererseits bezeichnet die Iterativität die Implementierung von Feedback- und Wiederholungsschleifen, die dafür sorgen, dass sich sukzessive einem optimalen Ergebnis angenähert wird. In einem dynamischen und von Unsicherheit geprägtem Projektumfeld kommt dieser Ansatz häufig zum Tragen.

Auf der anderen Seite stehen die klassischen Projektmanagement-Methoden. Der wohl bedeutendste und repräsentativste Ansatz in diesem Kontext ist das Wasserfall-Modell. Dieses zeichnet sich durch einen streng linearen Prozess aus, der sich in einem sequentiellen Projektplan manifestiert. Dieser wird von Anfang bis Ende linear abgearbeitet, bis das Projekt letztendlich fertiggestellt ist.

Die Kategorisierung von Projekten

Um die richtige Methode für Ihr individuelles Projekt zu finden, ist es notwendig, sich ein klares Bild von diesem zu machen. Die Stacey-Matrix, die vom britischen Organisationstheoretiker Ralph D. Stacey ins Leben gerufen wurde, hilft dabei, Projekte zielführend anhand von zwei Dimensionen zu kategorisieren.

Die Original-Matrix

Ursprünglich hat sich die Matrix nicht konkret mit dem Bereich Projektmanagement beschäftigt. Sie sollte primär die Entscheidungsfindung in Organisationen unterstützen. Vor diesem Hintergrund hat Stacey zwei relevante Dimensionen ausfindig gemacht, die wir im Folgenden erläutern:

  • Agreement: Die Dimension der Übereinstimmung gibt an, inwiefern sich die Stakeholder in Bezug auf eine Entscheidung einig sind. Im Optimalfall kommt es hierbei zu einer vollen Übereinstimmung bei den Beteiligten. Im ungünstigsten Szenario ist es jedoch möglich, dass jeder Stakeholder eine andere Entscheidungsoption favorisiert. Diese Uneinigkeit stellt eine große Herausforderung in der Entscheidungsfindung dar.
  • Certainty: Die zweite Dimension gibt an, mit welcher Sicherheit Entscheidungen getroffen werden. Hierbei bewegen sich die Entscheidungsträger auf einem Spektrum von voller Überzeugung bis hin zu totaler Ahnungslosigkeit.

Im besten Fall herrscht in der Original-Matrix nach Stacey volle Übereinstimmung und absolute Sicherheit. In diesem Fall heißt es für die Entscheidungsträger: Just do it! Schließlich liegt die rationale und erfolgversprechende Entscheidung auf der Hand und wartet darauf, in die Tat umgesetzt zu werden.

Der Worst Case kommt hingegen zustande, wenn keinerlei Übereinstimmung und die totale Ahnungslosigkeit über das Ergebnis vorherrschen. Dieser wird als Chaos bezeichnet. Hierbei gilt es, schnell zu handeln und den Prozess fortlaufend zu analysieren und anzupassen. Weiterer verbaler Austausch führt hier selten zu einer besseren Entscheidung.

Zwischen diesen beiden Extremfällen bewegen sich wohl meistens die realistischen Szenarios. Ist die Übereinstimmung hoch, aber die Sicherheit gering, so empfiehlt es sich, Experten um Rat zu bitten. So kann die Unsicherheit minimiert werden. Ist jedoch die Sicherheit relativ hoch, aber es herrscht keine Übereinstimmung, so kommt es zu Verhandlungen zwischen den Stakeholdern. Ist sowohl Sicherheit als auch Übereinstimmung nur in einem relativ geringen Ausmaß vorhanden, handelt es sich um ein komplexes Entscheidungsumfeld. Um beide Dimensionen zu optimieren und um Konsens und Sicherheit zu schaffen, können beispielsweise Workshops oder Brainstorming-Sessions durchgeführt werden.

Somit können in einer Organisation bei komplexen Sachverhalten fundierte Entscheidungen getroffen werden.  

Die Stacey-Matrix im Projektmanagement

 Die soeben beschriebene Stacey-Matrix lässt sich durch geringfügige Anpassungen auf das Projektmanagement übertragen und birgt wichtige Implikationen für die Methode, die im Optimalfall einzusetzen ist. Die Dimensionen, die für diesen Kontext relevant sind, lauten wie folgt:

  • Anforderung: Die Anforderungen an das Projekt bilden das Äquivalent zur ursprünglichen Dimension Agreement. Hierbei geht es nun darum, wie klar die Anforderungen, die an das Projekt gestellt werden, bzw. die durchzuführenden Schritte formuliert sind. Im Optimalfall wird Schritt für Schritt dargelegt, wie das Projektziel erreicht wird. Auf der anderen Seite können die Anweisungen jedoch völlig vage und unklar sein.
  • Lösungsansatz: Die Dimension der Sicherheit wird in diesem Kontext zum Lösungsansatz. Liegt dieser auf der Hand, ist dies aus Sicht des Projektteams vorteilhaft. Suboptimal ist es jedoch, wenn dieser komplett unklar ist.

Aus den Ausprägungen der beiden Dimensionen ergeben sich nun fünf Bereiche in der Matrix. Sind sowohl die Anforderungen als auch der Lösungsansatz klar, so handelt es sich um ein simples Projekt. Sind lediglich die Anforderungen unklar und der Lösungsansatz ist eindeutig, so ist die Situation politisch kompliziert. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn sich Stakeholder bezüglich des geplanten Resultats uneinig sind. Im umgekehrten Fall ist wiederum die Rede von einem technisch komplizierten Projekt. Hier ist das geplante Ergebnis klar, der Weg dorthin jedoch nicht. Sind beide Dimensionen relativ unklar, wird die Gesamtsituation als komplex bewertet. Sind sowohl die Anforderungen als auch der Lösungsansatz komplett unklar, spricht man von Chaos.

Die jeweiligen Situationen sind in folgender Graphik visuell dargestellt:

Die verschiedenen Zonen in der Stacey-Matrix

Welche Methode ist die richtige?

Die Kategorisierung von Projekten anhand der angepassten Stacey-Matrix ist hilfreich, wenn es darum geht, die passende Projektmanagement-Methode zu bestimmen.

Ist Ihr Projekt simpel, so sind Sie am besten beraten mit einer klassischen Methode, wie dem Wasserfall-Modell. Schließlich sind die Anforderungen klar und die Lösung liegt auf der Hand. Es ist nur noch ein entsprechender sequentieller Plan aufzustellen. Dieser ist schließlich Schritt für Schritt abzuarbeiten. Ein Beispiel hierfür ist der Bau eines Einfamilienhauses.  

Ein Szenario, in dem der Lösungsansatz klar ist, die Anforderungen jedoch schwammig sind, wird als politisch kompliziert bezeichnet. Im umgekehrten Fall spricht man wiederum von einem technisch komplizierten Projekt. In beiden Fällen herrschen gewisse Schwierigkeiten vor, die sich aber einerseits durch Verhandlungen und andererseits durch Expertise und ein tiefgehendes Know-How beseitigen lassen. Aufgrund der bestehenden Unklarheiten ist eine streng sequentielle Planung wie bei simplen Projekten nicht umzusetzen. Bei komplizierten Projekten wird in der Regel auf agile Methoden wie Lean Management oder Kanban zurückgegriffen. Ein Beispiel hierfür stellen kaum standardisierte Bauprojekte dar, wie der Bau einer großformatigen Autobahnbrücke.

Während komplizierte Projekte noch ein überschaubares Maß an Unsicherheit aufweisen, sind komplexe Projekte davon geprägt. Es treten große Schwierigkeiten auf bei der Definition der konkreten Anforderungen, aber auch bei der Identifikation eines passenden Lösungsansatzes. Somit wird die Implementierung agiler Elemente noch bedeutender und Aspekte wie Iterationen, Prüfpunkte, Kreativität und Transparenz sind unverzichtbar. Schließlich können sich sowohl die Anforderungen als auch die Lösungsansätze im Projektablauf verändern. Ein derartiger flexibler Ansatz für Projekte wird beispielsweise bei der Entwicklung bahnbrechender Innovationen wie komplexer AR-Tools benötigt. Hierbei bietet sich vor allem Scrum an. Das entsprechende Framework ist in diesem Fall sehr umfangreich, bietet aber einen deutlichen Mehrwert.

Sind zuletzt sowohl die Anforderungen als auch die Lösungsansätze völlig unklar, so ist die Rede von Chaos. Hier ist ein Maximum an Agilität gefordert, da eine Planung vorab nahezu unmöglich ist. Ein Beispiel hierfür ist das Katastrophenmanagement. Der Projektfortschritt ist in vielen kurzen Schritten zu realisieren. Dabei sind Stakeholder immer wieder miteinzubeziehen. Kurze Feedbackloops und Flexibilität sind der Schlüssel zum Erfolg. Methoden, die hier zum Einsatz kommen, sind Design Thinking, Lean Startup oder auch das Minimum Viable Product.

Fazit

Die Stacey-Matrix ist ein hilfreiches Werkzeug, wenn es darum geht, Projekte hinsichtlich ihrer Komplexität zu bewerten. In diesem Zuge findet eine Kategorisierung statt, auf Basis derer wir die Verwendung einer bestimmten Projektmanagement-Methode ableiten können. Ein zentraler Vorteil der Methode ist die universelle Anwendbarkeit. Durch den pauschalen und breiten Ansatz kann die Matrix in jeder Branche, in jedem Unternehmen und in jedem Fachbereich eingesetzt werden.

Dennoch sollte die Matrix nicht als absolutes Entscheidungskriterium bezüglich der Projektmanagement-Methode genutzt werden. Schließlich wird als einziges Bewertungskriterium die Komplexität des Projekts herangezogen. Diese spielt ohne Frage eine bedeutende Rolle, dennoch sollten andere Faktoren wie das Projektumfeld auch berücksichtigt werden. Ein weiterer Kritikpunkt ist zudem das Fehlen klar definierter Felder. Die Grenzen zwischen den Kategorien sind vage und die Einordnung erfolgt auf Basis einer sehr subjektiven Beurteilung. Ein Projekt könnte somit von verschiedenen Personen unterschiedlich eingeordnet werden, was die Aussagekraft schließlich schmälert.

Nichtsdestotrotz hilft die Stacey-Matrix dabei, Klarheit in komplexen Projektsituationen zu schaffen. Nutzen Sie diese als Hilfsmittel zur Entscheidung für eine Projektmanagement-Methode. Versuchen Sie dennoch, andere relevante Aspekte zu identifizieren und lassen Sie diese in Ihre Entscheidung miteinfließen. Auch Erfahrungswerte können Ihnen dabei helfen, die richtige Methode für Ihr Projekt zu finden.

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